Die Känguru-Chroniken - Kinostart: 05.03.2020

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Der Erzähler der „Känguru-Chroniken“ bezeichnet sich selbst als ...
 
... „gemäßigten Anarchisten“. Natürlich ist das ein Scherz, weil gemäßigter Anarchismus gar nicht funktionieren kann. Aber weiß Regisseur Dani Levy das auch?
 
Es war einmal vor kurzer Zeit
 
Marc-Uwe ist Künstler, aber kein Kleinkünstler. Er lebt in Kreuzberg. Er schläft oft lang. Da zieht eines Tages das Känguru bei ihm ein. Das Känguru mag Schnapspralinen und Eierkuchen. Es ist Kommunist. Und es bringt Marc-Uwe immer wieder in Schwierigkeiten …
 
Zu Beginn des ersten Bandes der „Känguru-Chroniken“ und auch des Films steht plötzlich das Känguru vor Marc-Uwes Tür. Es wollte Eierkuchen machen und hat bemerkt, dass es gar keine Eier hat. Also will es sich diese nun ausborgen. Kurz darauf klingelt es wieder, weil ihm Salz, Milch und Mehl fehlen. Auch Öl und eine Pfanne leiht es sich bei dem jungen Künstler. Als es gleich darauf wieder klingelt, erklärt das Känguru lapidar „Kein Herd“.
 
Wie muss man sich die Entstehungsgeschichte dieses Films vorstellen? Eines Tages stand Regisseur Dani Levy vor Marc-Uwe Klings Tür. Er wollte einen Film drehen und hat bemerkt, dass er gar keine Story hat. Also wollte er sich diese nun ausborgen. Kurz darauf klingelte er wieder, weil ihm Thema, Figuren und Gags fehlten. Auch Ort der Handlung und Nebenfiguren lieh er sich bei dem jungen Künstler. Als es gleich darauf wieder klingelte, erklärte Levy lapidar „Keine Ideen“.
 
Ach, wenn es bloß so gewesen wäre. Dann hätte der Film nämlich vielleicht funktionieren können. Denn weil das Känguru das Fehlen des Herdes bemerkt, zieht es bei kurzerhand Marc-Uwe ein. Mit dem Herd des Autors macht es aus den geborgten Zutaten tatsächlich Eierkuchen. Und mit seinem Einzug bereichert es das Leben des Autors und macht es erst interessant. Regisseur Levy hat aber das Fehlen eigener Ideen nie bemerkt. Und so leiht der Regisseur sich vom Autor zwar alles Mögliche, aber nie die wirklich originellen Ideen der Vorlage. Das was Levy hinzufügt, bereichert die Vorlage kein bisschen und macht das Ganze nicht interessanter.
 
In den Resten nichts Neues
 
Tatsächlich machen Levys Ergänzungen alles bloß langweiliger, konventioneller und – in den Augen des Kängurus sollte das die größte aller Sünden darstellen – vor allem kommerzieller. Die abwechslungsreichen, miteinander verwobenem Episoden der Vorlage mussten einer „spannenden“ Handlung weichen, die so peinlich konventionell ist, dass sie aus dem vierten Teil einer Kinderfilmserie geklaut ist (vgl. „Bibi & Tina: Tohuwabohu Total“). Und weil der Film ja alle Publikumsschichten ansprechen muss, kommt auch noch ein liebes kleines Kind vor. Und natürlich auch eine hübsche junge Frau, damit Marc-Uwe was zum Verlieben hat.
 
An visuellen Gags hat der Film vorhersehbare Scherzchen um die Porsches eines Bonzen zu bieten (in dieser Art von Film fahren Bonzen immer Porsche. Subtil, nicht?). Wir bekommen aber auch „Hommagen“ an berühmte Filme zu sehen, die ganz furchtbar plump konstruiert sind („The Big Lebowski“), bei denen wichtige Details nicht stimmen (Christopher Walken sitzt in „Pulp Fiction“ auf einem Stuhl, er steht nicht in der Tür) oder die einfach keinen Sinn ergeben weil sie nicht zum Geschehen passen, wie der Radiowecker der „I Got You, Babe“ spielt.
 
Der Einsatz verschiedener Doppelgänger in diesem Film war von Anfang an eine dumme Idee, die dann auch noch an der Ausführung scheitert. Zugegeben, die Darsteller von Nigel Farage und Geert Wilders sehen ihnen durchaus ähnlich. Aber sie gehen im wirren Gewusel des Films einfach unter. Schlimm wird es dann, wenn es an der Ähnlichkeit fehlt. Wenn ich mich drei Wochen nicht rasiere und mir jeden Tag eine Extra-Pizza einverleibe sehe ich Bud Spencer ähnlicher als der Doppelgänger in diesem Film. Ob der Doppelgänger von Terence Hill ihm ähnlich sieht, tut nichts zur Sache. In einem Film über das Känguru hat er schlicht nichts verloren.
 
 
Bürgerliche Kategorien
 
Schlimmer als die unpassenden Ergänzungen wiegt bloß was im Film alles fehlt. Als Filmkritiker muss ich immer lächeln, wenn Fans einer literarischen Vorlage jammern, dieses oder jenes aus dem Buch hätte in der Verfilmung gefehlt. Buch ist Buch und Film ist Film. Bücher haben mehrere Hundert Seiten, Filme sollten ihre Geschichte in plus/minus Zwei Stunden erzählt haben. Aber hier wurden nicht einfach unwichtige Nebenhandlungen, unbekannte Nebenfiguren und kleinere Gags weggelassen. Hier fehlen essentielle Aspekte der Vorlage. Hier wurde das Wesen des Buches nicht übernommen.
 
Die Gesellschaftskritik der Vorlage war ja schon immer sehr sanft ausgefallen. Aber nur sie unterscheidet die Chroniken von Hunderten anderer halbwitziger Bücher, die im Buchhandel in Regalen mit der Aufschrift „Humor“ zu finden sind. Im fertigen Film sehen und hören wir praktisch nichts davon. Der Vietcong wird ein einziges Mal in einem Nebensatz erwähnt.
 
Kein Wort über „Opportunismus und Repression“, keine einziges falsch zugeschriebenes Zitat. Und wie, bitte wie, kann man einen Film über das Känguru machen ohne die Arbeitsbedingungen bei Lidl zu erwähnen? Regisseur Dani Levy hat vor ein paar Jahren mit „Mein Führer“ eine groteske Tragödie gedreht, deren groteske Elemente nicht grotesk genug waren. Dafür hat die Tragödie nicht tragisch auf uns gewirkt. Auch diesmal muss man sich fragen, wusste Levy nicht was er mit diesem Projekt anfangen sollte? Oder war er einfach nur unentschlossen? Wer eine Satire dreht, die niemandem wehtut, dreht eine Komödie. Und wer eine Komödie dreht, über die man nicht lachen kann, verschwendet seine Zeit.
 
Für das Drehbuch zeichnet laut Vorspann Marc-Uwe Kling allein verantwortlich. Aber bei allem was dem Film fehlt und bei allem was hinzugefügt wurde und bei allem was der Vorlage so gründlich widerspricht, muss Klings alleinige Autorenschaft bezweifelt werden. Eine Liebesgeschichte wie aus einer Komödie mit Matthias Schweighöfer, eine Krimihandlung aus „Bibi & Tina“ und Figuren wie aus einer Sitcom … dieser Film hätte nur dann noch kommerzieller ausfallen können, wenn Til Schweiger das Känguru gespielt hätte.
 
Hauptdarsteller Dimitrij Schaad kennt man vor allem von seiner Arbeit am Bochumer Schauspielhaus und dem Maxim-Gorki-Theater in Berlin. Rosalie Thomass kennt man aus so unterschiedlichen Filmen wie „Eine ganze heiße Nummer“ und „Grüße aus Fukushima“. Henry Hübchen („Alles auf Zucker“) blickt auf eine langjährige erfolgreiche Karriere zurück. Bettina Lamprecht war großartig in „Switch“ und der „heute-show“. Warum diese Künstler hier Rollen wie aus einer mittelmäßigen Fernsehwerbung darstellen, müssen sie selbst wissen.
 
 
Fazit
 
Gemäßigter Anarchismus funktioniert nicht. Genauso wenig wie witzlose Satire die niemandem wehtun will. Wer eine harmlose Mischung aus romantischer Komödie, Kinderfilm und Sitcom sehen will, der darf sich gerne eine Kinokarte kaufen. Für echte Anarchisten, Kommunisten, Sozialisten, Sozialdemokraten oder auch nur Menschen mit anspruchsvollem Sinn für Humor ist der Film kaum geeignet.
 
 
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Weitere Informationen

  • Autor:in: Walter Hummer
  • Regie: Dani Levy
  • Drehbuch: Dani Levy
  • Besetzung: Volker Zack, Rosalie Thomass