Keeper - Kinostart: 20.11.2025

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Manchmal, wenn man Mühe hat, ein Urteil zu fällen, kann es helfen, ...
 
... Pro- und Kontrapunkte, Vor- und Nachteile, Stärken und Schwächen aufzulisten …
 
Love is strange
 
Wie wir aus einem Telefongespräch mit ihrer besten Freundin erfahren, das eines der bemerkenswertesten Beispiele für uninspirierte Exposition in der jüngeren Filmgeschichte darstellt, hat Liz, die weibliche Hauptfigur von „Keeper“, bisher kaum längere Paarbeziehungen unterhalten können. Daher stellt das einjährige Beziehungsjubiläum mit dem sympathischen Arzt Malcolm schon einen Grund zum Feiern dar. Erfahrene Filmfans wissen, es verheißt nichts Gutes, wenn das Pärchen sich dazu übers Wochenende in Malcolms einsam gelegene „Hütte in den Wäldern“ zurückzieht …
 
„Keeper“ ist so eine unausgewogene Mischung aus guten Elementen, weniger guten Elementen und Elementen, die kein bisschen funktionieren, dass es sehr schwer ist, zu einem abschließenden Urteil zu kommen. Gehen wir einmal die Pros und Kontras dieses neuen Films von Osgood „Oz“ Perkins durch, der erst letztes Jahr mit seinem kleinen, feinen Horrorfilm „Longlegs“ absolut zu recht für Aufsehen gesorgt hat.
 
Das größte „Pro“ dieses Films ist dann auch sicher die Regie von Oz Perkins. „Keeper“ ist in absolut jeder Hinsicht hervorragend inszeniert. „Love is strange“ ist einer dieser Oldies, die genaugenommen bereits in zu vielen Filmen zu hören waren, um noch originell eingesetzt werden zu können. Die eine Hälfte aller Filmfans kennt den Song aus „Dirty Dancing“, wir Kerle kennen ihn aus „Casino“, wer ein echter Cineast sein will, tut so als würde er ihn aus „Badlands“ kennen und natürlich hatten wir alle keine Ahnung, dass dieses Lied sogar in „Deep Throat“ zu hören war, woher auch? Das Lied sollte für Filme eigentlich ebenso durch sein wie „I feel good“ von James Brown, „Spirit in the Sky“ von Norman Greenbaum und ähnliche Klassiker.
 
Doch wie Oz Perkins diesen Song zu Beginn seines neuen Films einsetzt, ist etwas ganz Besonderes. Zu den Klängen von dieses Oldies sehen wir eine Montage von zunächst alltäglichen Szenen. Perkins fügt Musik und Bilder zu einem recht bald verstörenden Ganzen zusammen, dessen beunruhigende Wirkung das Publikum erreicht noch bevor die Bilder tatsächlich geeignet sind, uns zu beunruhigen.
 
Eine wunderbar beunruhigende Wirkung vermittelt auch der Hauptort der Handlung, die erwähnte Hütte. Fast der gesamte Film spielt in diesem Gebäude und trotzdem erschließt sich seine Architektur nie so richtig. Wir begreifen nie, wie groß oder kleine diese Hütte ist und wie ihre Räume angeordnet sind. Die Innenseite der Eingangstür scheint sich in einer Szene im Freien zu befinden. Der Keller scheint klein, aber dann doch größer zu sein.
 
Dabei bedient sich Perkins nie des billigen Tricks, das ganze Haus ständig mangelhaft beleuchtet zu zeigen. Ganz im Gegenteil, der größte Teil der Handlung spielt tagsüber und das Haus verfügt über großzügige Fensterflächen. Auch ein Abendessen ist nicht ausgeleuchtet wie ein Mitternachtsimbiss in der Gruft von Graf Dracula, sondern so wie das in normalen Räumen, in denen sich normale Menschen bewegen nun mal der Fall sein sollte. Perkins kommt in seinem Film auch mit einem einzigen „fake scare“ aus. Perkins schafft es also weitgehend ohne Taschenspielertricks, uns die zunehmende Bedrohung zu vermitteln, die vom Ort der Handlung ausgeht.
 
Dabei hilft ihm sein Kameramann Jeremy Cox, der bei Perkins letzten Filmen, „Longlegs“ und „The Monkey“ noch die Second Unit geleitet hatte, und sich mit seiner Arbeit an diesem Film für die erste Garde der Kameraleute in Hollywood empfiehlt. Fast noch besser fällt die Arbeit der beiden Editors Greg Ng und Graham Fortin aus. Beide waren bereits bei „Longlegs“ und „The Monkey“ für den Schnitt verantwortlich und haben sich hier selbst übertroffen. In „Keepers“ sehen wir bessere und originellere Szenenübergänge, als in den meisten sehr viel teureren und prestigeträchtigeren Filmen dieses Jahres.
 
Perkins und sein hervorragendes Team erzeugen zunächst nur durch Blicke, Blickwinkel, Bildausschnitte und Geräusche eine immer unheimlichere Stimmung, der man sich kaum entziehen kann. Wenn die Hintergrundmusik von Edo Van Breemen nach einigen Minuten auch noch zu dieser Stimmung beitragen will, ist das an einigen Stellen fast zu viel. Dieser Overkill wirkt zuweilen weniger bedrohlich als manipulativ. Und so stellt die Filmmusik den ersten kleinen Kontra-Punkt dar.
 
Bring it on home to me
 
Einen sehr viel größeren Punkt auf der Seite der Liste mit den Nachteilen und Schwächen stellt das langweilige, unergiebige Drehbuch von Nick Lepard dar. Lepard hat bisher nur ein einziges verfilmtes Drehbuch verfasst und ich würde mich wirklich über Post von Leser*innen freuen, die seinen Erstling „Dangerous Animals“ im Kino gesehen haben. Ich selbst hatte bis vor wenigen Minuten keinerlei Kenntnis von der Existenz dieses Films und nachdem ich den Trailer gesehen habe, wundert mich das kaum noch.
 
Oft sehen wir im Kino einen Film und fragen uns, warum das Drehbuch nicht nochmal von einem fähigen Script Doctor überarbeitet wurde. Aber bei „Keeper“ muss man sich fragen, warum man bereits den ersten Roh-Entwurf eines Treatments zu einem Drehbuch verfilmt hat. Oft erkennt man in einem Film Ideen und fragt sich, warum diese nicht weiter verfolgt wurden, um den Film interessanter zu machen. „Keeper“ zeigt keine Ideen, sondern bloße Ansätze zu Ideen, die durchaus interessant hätten werden können, … wenn Drehbuchautor Nick Lepard auch nur eine einzige über den bloßen Ansatz hinaus weiter entwickelt hätte.
 
Nichts an der Handlung von „Keeper“ funktioniert richtig. Wir lernen die Figuren nie richtig kennen. Was wir von ihnen sehen ergibt oft keinen Sinn. An einer Stelle könnte Liz leicht die immer bedrohlichere Situation verlassen. Eine Person bietet ihr sogar an, sie wegzubringen, obwohl genau das doch all ihre Pläne zunichtemachen würde und der Film an der Stelle zu Ende wäre.
 
Wenn die Handlung uns wenigstens mit „WTF?!-Momenten“ verwirren würde, wären wir ja schon dankbar (zur Erinnerung: ein WTF?!-Moment war es zum Beispiel, als wir in „Orphan: First Kill“, erfahren haben, dass die richtige Tochter nur deshalb vermisst wird, weil ihr Bruder sie ermordet und ihre Mutter den Mord vertuscht hat). Aber das Drehbuch tut uns nicht einmal den Gefallen, irgendwann mal richtig absurd zu werden. „Keeper“ bietet keine WTF?!-Momente, sondern verbreitet eine langweilige „Whatever-Stimmung“. Wo nichts Sinn ergibt, kann keine Spannung aufkommen.
 
Im weiteren Verlauf des Films spielt eine Art Fluch eine Rolle, dessen Geschichte zwar minutenlang erklärt wird, der aber immer sinnloser und beliebiger wirkt, je mehr wir darüber erfahren. Warum sollte eine Sterbende ihre Mördern auf diese besondere Art „verfluchen“? Sollte dieser „Fluch“ die so „Verfluchten“ im Laufe der Zeit nicht irgendwie verändern? Und warum sollte die „Verfluchende“ so lange auf ihre Rache warten? Und warum wird diese dann so flott abgewickelt? Damit auch am Schluss erst gar keine Spannung aufkommen kann? Whatever …
 
Ein Drehbuch, das an den Figuren weder Interesse zeigt noch vermittelt, lässt die Schauspieler ganz schön in der Luft hängen. Und so gehören die darstellerischen Leistungen ebenso auf die Pro- wie auf die Kontraseite. Eine junge Schauspielerin namens Eden Weiss erzielt in ihrem ersten Spielfilm durchaus eine gewisse Wirkung. Ein unbekannter Darsteller namens Birkett Turton kann vermutlich nichts dafür, dass der Part, der in jedem anderen Film eine wichtige Nebenrolle gewesen wäre, in diesem Drehbuch leider ein Fragment eines schlampigen Entwurfs geblieben ist.
 
Rossif Sutherland hat von seinem Vater Donald sicher die beeindruckende Körpergröße geerbt. Ob er auch das Talent geerbt hat, muss sich noch zeigen. Nachdem er vor drei Jahren eine Nebenrolle in „Orphan: First Kill“ als Chargenrolle abgeliefert hat, liefert er nun eine Hauptrolle als uninspirierte Nebenrolle ab. Natürlich ist seine Figur furchtbar „underwritten“. Aber die beinahe lethargische wirkende Pragmatik, mit der Sutherland seinen Part abliefert, trägt nur zur allgemeinen „Whatever-Stimmung“ bei.
 
Natürlich hat Nick Lepard mit seinem unausgereiftem, kaum ausgearbeiteten Drehbuch jedem Mitglied der Besetzung einen Bärendienst erwiesen. Aber niemand muss so sehr bergauf spielen wie die arme Tatiana Maslany. Nachdem ich die Serien über die entfernte Verwandtschaft der Marvel-Helden und die Subunternehmer von S.H.I.E.L.D. kaum verfolge, kannte ich diese Darstellerin bisher nur aus Nebenrollen in Filmen wie „Destroyer“ oder zuletzt in Oz Perkins‘ „The Monkey“. Ihre Leistung in der fragmentarisch hingeworfenen Rolle in „Keeper“ zu sehen, ist ein bisschen wie einer sehr guten Schwimmerin zuzusehen, wie sie in einem geschlossenen Wassertank ohne Leiter oder sonstigen Ausstieg langsam ertrinkt. Das alles hätte nicht so ablaufen müssen.
 
Im ersten Akt lässt uns das schlampige Drehbuch die von ihr dargestellte Liz nie richtig kennenlernen. Die erwähnten Expositions-Telefonate mit ihrer Freundin und unergiebiges Rum-Gezicke wegen eines Gemäldes lassen sie eher unsympathisch erscheinen. Speziell die Szene rund um das Gemälde richtet mehr Schaden als Nutzen an, weil weder das Gemälde noch Liz‘ Malerei danach je wieder von Belang sind. Einem fähigeren Autor, der über den ersten Entwurf hinaus an dem Drehbuch gearbeitet hätte, wäre vielleicht eingefallen, uns seine Hauptfigur als sensible Künstlerin kennenlernen zu lassen.
 
Irgendwann fragen wir uns, wie doof diese Liz ist, wenn sie trotz körperlicher und seelischer Beschwerden noch immer in dem Haus bleibt. Auch das hätte ein kompetenter Autor leicht vermeiden können. Man hätte uns zeigen können, wie das Haus von Liz Besitz ergreift oder eine Verbindung zwischen Liz und diesem Ort etwas früher vermitteln können oder sie bis zu dem Zeitpunkt nicht nur beunruhigende Visionen in diesem Haus haben lassen, … man hätte uns leicht ein halbes Dutzend verschiedener Gründe für den Verbleib der Hauptperson in diesem Haus bieten können. Nick Lepard wollte kein einziger einfallen.
 
Jeder andere Autor hätte so etwas wie ein Finale ans Ende dieses Films gesetzt, statt ihn einfach mit einer Sequenz enden zu lassen, die endlich mal dringend benötigte Spannung liefert, aber dann viel zu kurz ausfällt. Für ein Finale, das lose Handlungsfäden wieder aufnimmt, hätte es nicht viel Einfallsreichtum gebraucht, bloß Aufmerksamkeit und Interesse am eigenen Drehbuch. So ein Finale hätte diesen Film zwar nicht mehr gerettet, aber doch aufgewertet. Nicht nur dieser Film hätte so ein Finale gebraucht und verdient, sondern auch seine Figuren. Wozu lässt ein Autor seine Protagonist*innen quer durch die Jahrhunderte alles Mögliche erleben und verwehrt ihren Geschichten dann eine echte Auflösung? Und welchen Effekt will er damit beim Publikum erreichen? Whatever …?
 
 
Fazit
 
Nach sorgfältiger Auflistung der Pro- und Kontrapunkte, Vor- und Nachteile, Stärken und Schwächen von „Keeper“, können die hochwertige Inszenierung und die sichtliche Mühe der Darsteller*innen das unausgereifte und langweilige Drehbuch nicht aufwiegen.
 
 
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Weitere Informationen

  • Autor:in: Walter Hummer
  • Regie: Osgood Perkins
  • Drehbuch: Nick Lepard
  • Besetzung: Tatiana Maslany, Rossif Sutherland