Deutsche Luftangriffe auf London bilden Hintergrund von Apples Historiendrama,
... das vor dem Streaming-Start in ausgewählten Kinos zu sehen ist.
Raus aufs Land
Seinen bislang größten Erfolg feierte der britische Filmemacher Steve McQueen mit seinem auf wahren Ereignissen beruhenden Sklaverei-Drama „12 Years a Slave“ (2013), das unter Kritikern wahre Begeisterungstürme auslöste und zahlreiche Preise abräumen konnte. Auch sein jüngstes Werk „Blitz“, das für den Streaming-Dienst Apple TV+ entstand, taucht in die Geschichte ein und soll in der kommenden Awards-Saison ein Wörtchen mitreden (deshalb der Leinwandstart).
Als „The Blitz“ werden im englischen Sprachgebrauch die Angriffe der deutschen Luftwaffe auf Großbritannien, vor allem London, während der Luftschlacht um England in den Jahren 1940 und 1941 bezeichnet. Die Attacken richteten nicht nur gewaltigen Schaden an und forderten zahlreiche zivile Todesopfer, sondern lösten auch eine Evakuierungswelle in die Provinz aus. Viele Kinder wurden aufs Land geschickt, da es dort sicherer war als in der Hauptstadt.
Genau hier setzt das vom Regisseur verfasste Drehbuch an, das um den neunjährigen George (Elliott Heffernan) und dessen Mutter Rita (Saoirse Ronan) kreist. Immer wieder müssen die beiden zusammen mit Großvater Gerald (Paul Weller) bei einem Fliegeralarm ihr Haus verlassen und irgendwo Schutz vor den Bomben der Nazis suchen. Um ihren Jungen vor der ständigen Gefahr abzuschirmen, beschließt Rita schweren Herzens, ihn in einen Zug zu setzen und von einer Organisation aufs Land bringen zu lassen.
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https://www.cinepreview.de/index.php/item/1069-blitz-kinostart-07-11-2024-apple-tv-22-11-2024#sigProId92b32b086b
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Wenig verwunderlich hat George für diese Entscheidung kein Verständnis und zeigt ihr bei der Abreise die kalte Schulter. Schon unter normalen Umständen wäre eine solche Trennung bedrückend. In einer Krisensituation wie dieser ist es aber noch schlimmer, dass der Sohn Rita keines Blickes würdigt. Denn wer kann schon sagen, ob sie sich jemals wiedersehen. Eine Szene, die es wahrlich in sich hat. Auch, weil die beiden Hauptdarsteller die Emotionen ihrer Figuren ohne Effekthascherei stark herausarbeiten.
George hält es dann nicht lange auf seinem Sitz. Bereits rund eine Stunde nach der Abfahrt wagt er den Sprung aus der Bahn und will sich so schnell wie möglich wieder nach London zu seiner Mutter und seinem Opa durchschlagen. Unterwegs warten allerdings nicht nur interessante Begegnungen auf ihn, sondern auch einige brenzlige Situationen. Als Rita von der Flucht ihres Sohnes erfährt, macht sie sich auf die Suche und bekommt dabei Unterstützung von Feuerwehrmann Jack (in einer undankbaren Rolle verschenkt: Harris Dickinson), der mehr für sie zu empfinden scheint.
Zwischen Trotz und Bangen
Mit „Blitz“ legt Steve McQueen ein recht konventionell erzähltes, episodisch geprägtes Historiendrama vor, das ab und an etwas zu didaktisch gerät. Von den beiden Hauptfiguren bekommt George ein bisschen mehr Raum. Auf seiner Odyssee darf er beispielsweise ein wenig seine Identität erforschen, wenngleich der Film dabei an der Oberfläche bleibt. Aufgrund seiner Hautfarbe wird der Junge, wie Rückblenden zeigen, von anderen Kindern gehänselt. Er selbst macht aber einen Unterschied zwischen sich und seinem Vater, der afrikanische Wurzeln hat und den er nicht kennenlernen konnte. Erst eine Begegnung mit dem aus Nigeria stammenden Wachmann Ife (Benjamin Clémentine) verändert seinen Blick.
Während die Story trotz guter Schauspielleistungen nicht ganz so stark fesselt, wie man es eigentlich erwarten würde, überzeugt „Blitz“ auf anderen Ebenen. Das Szenenbild stellt die damalige Zeit akribisch nach. Und generell beweist McQueen ein gutes Gespür für die Stimmungen innerhalb der britischen Gesellschaft. Rassistisches Denken ist dort tiefverankert, wie nicht nur die Mobbingattacken auf George demonstrieren.
Menschen, die anders aussehen, etwas anderes glauben, haben einen schweren Stand, werden teils systematisch diskriminiert. Selbst im Angesicht der Katastrophe können manche ihre xenophoben Haltungen nicht überwinden. Was der Regisseur ebenfalls illustriert: Gerade die Arbeiterschicht muss vor dem Hintergrund der fortwährenden Luftangriffe um Schutzräume kämpfen, da für sie nicht ausreichend gesorgt wird.
Auszumachen ist in der Apple-Produktion auch ein gewisser Trotz, sich mit der Angriffssituation irgendwie zu arrangieren, sich nicht zu verkriechen, ein Stück Normalität beizubehalten. Eine vom Plot weitgehend losgelöste, opulent inszenierte Sequenz, in der die Kamera durch einen prallgefühlten Unterhaltungstempel gleitet, verdeutlich jedoch eins: Ganz plötzlich und mit voller Wucht kann es mit der Heiterkeit vorbei sein, bricht der Krieg in das Leben der Menschen ein.
Umso ergreifender sind freilich die Momente, mit denen McQueen die aus der Not erwachsende Solidarität beschwört. Etwa, wenn Jung und Alt dicht gedrängt in einem Bunker gemeinsam ein Lied anstimmen. Besondere Kraft entfaltet der zum Ende hin mit Ereignissen leicht überfrachtete, dadurch etwas gehetzt wirkende Film in eben diesen Augenblicken, die vor allem Atmosphäre verströmen.
Fazit
Steve McQueens gut gespielte Auseinandersetzung mit den Luftangriffen auf London während des Zweiten Weltkriegs packt vor allem dann, wenn sie die historischen und sozialen Hintergründe in ihrer etwas formelhaften Geschichte stärker hervorhebt.
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