Honey Don´t! - Kinostart: 11.09.2025

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Natürlich wollen wir unseren Leser*innen vor allem gelungene Filme empfehlen. Aber leider müssen ...
 
... wir oft auch vor misslungenen Filmen warnen. Nur selten berichten wir über Filme wie „Honey Don’t!“ …
 
We Gotta Get Out Of This Place
 
Bakesfield, Kalifornien: Privatdetektivin Honey O’Donahue stolpert auf High Heels in einen Mordfall. Das Opfer wollte Honey anheuern, hatte vorher aber einen tödlichen Autounfall, der Honey gleich nicht ganz koscher vorkommt. Und wie wir aus Film und Fernsehen wissen, lassen sich echte Privatdetektive alter Schule vom Ableben ihrer Klienten (und damit dem sicheren Ausbleiben jeden Honorars) nicht von der Aufklärung verzwickter Fälle abhalten. Einige brutale Morde (die zum großen Teil gar nichts mit dem eigentlichen Fall zu tun haben) und jede Menge halbwitziger Dialogzeilen später, hat Honey den Fall irgendwie aufgeklärt und wir sind kein bisschen schlauer als vorher …
 
Freunde und Bekannte sprechen mich gelegentlich (meist aus Anlass eines von mir verfassten Verrisses) darauf an, wie froh ich als Kritiker über misslungene Filme sein muss. Aber das Gegenteil ist der Fall. Ich bin Kritiker, weil ich gute Filme liebe. Ich beschäftige mich seit Jahrzehnten mit der Kunstform Film, weil ein origineller, unterhaltsamer, anspruchsvoller Film für mich ein Hochgenuss ist, den ich gerne mit vielen anderen Filmfans teilen möchte. So wie ein Restaurantkritiker gutes Essen liebt und ein Sportreporter, spannende Wettkämpfe in denen Athleten in Höchstform ihre Kräfte messen, so liebe ich gelungene Filme.
 
Natürlich muss ich auch über misslungene Filme schreiben. Zunächst um Filmfans vor diesen Filmen warnen. Sie sollen ihr schwerverdientes Geld nicht für schlechte Filme ausgeben. Wenn meine Berichterstattung darüber hinaus noch geeignet ist, einzelnen Leser*innen dabei zu helfen, gelungene von misslungenen Filmen in Zukunft besser unterscheiden zu können, umso besser. Wenn der eine oder andere Verriss auch noch kurzweilig zu lesen ist, so ist das ein zusätzlicher Bonus und mein Versuch, einer Entschädigung für einen weiteren misslungenen Film.
 
Nachdem ich festgestellt habe, wie viel lieber ich über gelungene Filme berichte, als über misslungene, muss ich aber auch zugeben, dass so richtig misslungene Filme durchaus inspirierend wirken können. Ich habe vor einigen Jahren den durch und durch misslungenen Film „Holmes & Watson“ mit einem Verbrechen verglichen. Anlässlich der Rezension von „#Schwarze Schafe“ habe ich spekuliert, wie ein Film aussehen würde, der sowohl „Pulp Fiction“ als auch „Hundstage“ zu imitieren versucht, dessen Macher*innen aber keinen dieser beiden Filme verstanden haben? (SPOLIER Die Antwort lautet: so wie „#SchwarzeSchafe“).
 
Ich kann also durchaus ebenso viel Inspiration in gelungenen wie misslungenen Filmen finden. Die einzigen Filme, die zu rezensieren mir schwer fällt, sind Filme, die weder gut noch schlecht sind. Filme, die man beim besten Willen niemanden empfehlen kann, die aber nicht einmal den Anstand haben, so richtig übel ausgefallen zu sein. Und falls es nach der elendslangen Einleitung nicht längst klar ist, stelle ich es gerne klar: genauso ein Film, weder empfehlenswert noch richtig übel, ist „Honey Don’t!“ von Ethan Coen.
 
Nichts an dem Film ist wirklich ganz schlecht. Aber einige einzelne Aspekte des Films sind schon verdammt nah dran. Das Drehbuch von Coen und seiner Ehefrau Tricia Cooke tänzelt hart an der Grenze des Misslungenen dahin. Cooke und Coen haben bereits das Drehbuch zu Coens ersten Solo-Film, dem ebenso mittelmäßigen „Drive-Away Dolls“ verfasst. Aber wo die Story von „Drive-Away Dolls“ noch absolut vorhersehbar war, kann man die Geschichte von „Honey Don’t!“ kaum noch als solche bezeichnen.
 
In einer Geschichte würde eines zum anderen führen. Hier führt kaum etwas irgendwohin. In einer richtigen Story, passiert zuerst etwas, das dann dazu führt, dass danach noch etwas anderes passiert und so weiter. In „Honey Don’t!“ passieren einfach Dinge. Viele davon sind übel. Kaum irgendwelche dieser Dinge, die passieren, haben miteinander zu tun. Ich habe irgendwann aufgehört mitzuzählen, wie viele gewaltsame Tode in dem Film zu sehen sind, die rein gar nichts mit dem ersten Todesfall des Films zu tun haben.
 
Man möchte dem Ehepaar Cooke-Coen auftragen, sich Filme der Coen-Brothers anzusehen, damit sie so vielleicht lernen die Art von Drehbuch zu schreiben, die sie offensichtlich schreiben wollten. Die Nihilisten in „The Big Lebowski“ tauchen immer wieder auf, weil ihnen zunächst eine saudumme, aber herrlich komische Verwechslung unterläuft und sie danach saudumme, aber herrlich komische falsche Schlüsse ziehen. In „Honey Don’t!“ quält man das Publikum mit den unlustigen Kapriolen der Mitglieder einer Kirche/Drogenrings. Nichts an dieser, … naja, „Nebenhandlung“ wäre zu viel gesagt, … nichts an diesen überflüssigen Szenen ist interessant, wenn man vom Darsteller des Priesters/Drogenhändlers absieht.
 
Ähnlich verhält es sich mit den Dialogen. Diese werden von den Darsteller*innen ausgesprochen, führen aber nirgendwohin. In diesem Film gibt es die Figur eines männlichen Polizeibeamten. Der Mann ist in einem guten halben Dutzend Szenen zu sehen. Der Name das Darstellers ist als drittes auf dem Plakat zu lesen. Der einzige Beitrag dieser Figur zur Handlung besteht darin, dass der Mann in jeder einzelne Szene eine bekennende Lesbierin fragt, ob sie mal mit ihm ausgehen möchte und die Heldin ihm jedes einzelne Mal erklärt, sie würde auf Frauen stehen. Was soll daran witzig sein? Und vor allem wo soll das hinführen?
 
Wieder möchte man den Drehbuchautor*innen einen viel besseren Film der Coen-Brothers als Vorbild ans Herz legen. Wenn in „Fargo“ ein alter Bekannter der Heldin komplett erfundenen Unsinn über seine Ehe erzählt, dann ist das für die Handlung relevant, weil das die Ermittlerin die Aussage eines Zeugen anders bewerten lässt, was dann zur Aufklärung des Falls führt. In „Honey Don’t!“ hingegen sprechen ganz viele Figuren ganz viel Dialog, der halbwegs witzig ist und am Ende ist eine der Figuren der/die Mörder*in. Das war’s.
 
If it’s the last thing we ever do
 
Das Drehbuch und die Dialoge gehören sicher zu den schwächsten Aspekten, dieses mittelmäßigen und auch recht unausgewogenen Films. So reden die Figuren immer wieder darüber, was für eine furchtbar öde Stadt Bakersfield, der Ort der Handlung doch ist. Dummerweise lässt Ethan Coen seinen Kameramann Ari Wegner (Oscarnominierung für „The Power of the Dog“) die Stadt bereits im Vorspann in echt coolen Bildern zeigen, die wie von der Wüstensonne ausgebleicht wirken. Die Bewohner von Bakersfield, allen voran die Hauptfigur, tragen coole Kleidung, fahren coole Autos, haben jede Menge Sex und niemand arbeitet sich zu Tode. Ich denke, den meisten Filmfans wird es schwerfallen, zu erkennen, was an Bakersfield so schlimm sein soll.
 
Ach ja, der Sex: Wie bereits bei Ethan Coens erstem Projekt ohne Bruder Joel, ist die Hauptfigur wieder eine von Margaret Qualley dargestellte Lesbe. Und ich bin sicher der letzte, der sich über den Anblick hübscher nackter Brüste oder/und Darstellungen lesbischer Liebe beschwert. Aber vielleicht kann Tricia Cooke ihrem Mann erklären, dass es darüber im Internet ganze Websites gibt (habe ich zumindest gehört) und es okay ist, wenn er ab und zu mal auf eine dieser Seiten geht. Dann muss er nicht einen Film nach dem anderen drehen, umso etwas sehen zu können.
 
Natürlich hat Margaret Qualley sehr viel mehr zu bieten, als bloß ihre sekundären Geschlechtsmerkmale. Das hat sie in Filmen wie „Kinds of Kindness“ bewiesen, … Moment, schlechtes Beispiel, … das hat sie in Filmen wie „The Substance“ bewiesen, … auch nicht hilfreich. Naja, … auf jeden Fall hat Margaret Qualley einiges zu bieten. In „Honey Don’t!“ liefert sie einige mittelmäßige Dialogzeilen sehr viel besser ab, als diese es verdienen. Davon abgesehen kann man ihr nur viel Glück für die weitere Zusammenarbeit mit Ethan Coen wünschen. Vielleicht darf sie im nächsten Film ihre Klamotten anbehalten.
 
Die großartige Aubrey Plaza verschwendet hier nach „Operation Fortune“ ein weiteres Mal ihr Talent. Das gleiche gilt für Chris Evans, der nach „Was ist Liebe wert – Materialists“ zum zweiten Mal in Folge das einzige Sehenswerte in einem Film darstellt, für den er einfach viel zu gut ist. Was Charlie Day und Billy Eichner in diesem Film verloren haben, ist unklar. Day war saukomisch in Filmen wie „Kill The Boss“ oder „Pacific Rim“. Seine Figur in „Honey Don’t!“ ist einfach nur erbärmlich und überflüssig, aber nicht so erbärmlich und überflüssig wie die von Billy Eichner.
 
 
Fazit
 
„Honey Don’t!“ ist weder gelungen noch misslungen. Dieser Film existiert irgendwo im Niemandsland seiner passablen Bedeutungslosigkeit und man fragt sich wozu? Wenigstens wissen wir nun definitiv, welcher der Coen-Brothers der begabtere ist. Und welcher von ihnen gerne Lesbensex sieht.
 
 
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Weitere Informationen

  • Autor:in: Walter Hummer
  • Regie: Ethan Coen
  • Drehbuch: Tricia Cooke
  • Besetzung: Margaret Qualley, Chris Evans