Die Geschichte, wie einer der schlechtesten Filme aller Zeiten produziert wurde, ...
... wäre eine großartige Vorlage für einen witzigen Kurzfilm oder einen interessanten Dokumentarfilm. James Franco hat daraus einen Spielfilm gemacht.
"The Room"
Eines vorweg: Der 2002 entstandene Film "The Room", hat nichts, aber auch gar nichts, mit Lenny Abrahamsons Film "Room" zu tun, für den Brie Larson letztes Jahr einen Oscar gewonnen hat. Letzterer ist ein Meisterwerk. "The Room", den Hauptdarsteller Tommy Wiseau damals nicht nur geschrieben, inszeniert und produziert, sondern auch aus eigener Tasche finanziert hat, ist ein furchtbares Machwerk. Der Film lief nur in einem einzigen Kino in den USA und sollte nach 2 Tagen wieder abgesetzt werden. Wiseau hat damals den Kinobetreiber dafür bezahlt, den Film volle zwei Wochen laufen zu lassen (Warum wird hier nicht verraten, weil das einen der besten Gags von "The Disaster Artist" verderben würde). Es muss sich also niemand schämen, wenn er diesen Film bisher nicht gekannt hat.
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War es also eine gute Idee, einen Film über die Entstehung eines weitgehend unbekannten Filmes zu drehen? Nun es war zumindest keine neue Idee. Tim Burton hat vor mehr als zwanzig Jahren "Ed Wood" gedreht. Johnny Depp spielte darin ebenfalls einen schrecklichen und schrecklich unkritischen Filmemacher. Aber Johnny Depp war in "Ed Wood" großartig wie kaum jemals davor und danach. Sämtliche Nebendarsteller waren hervorragend, allen voran Martin Landau als Bela Lugosi. Aber vor allem hatte Tim Burtons Film sehr viel Herz. "Ed Wood" wurde darin als mieser Filmemacher, aber liebenswerter Mensch mit echter Hingabe dargestellt. Burtons Film war eine Liebeserklärung an das Kino, eine Verbeugung vor allen Filmemachern, auch den schlechten.
In James Francos Film wird Tommy Wiseau, der Schöpfer von "The Room" als selbstverliebter, rücksichtsloser Egomane gezeigt. Wo Ed Wood sich Equipment leihen musste ohne vorher zu fragen, ist Tommy Wiseau reich und dumm und kann daher die Filmausrüstung einfach kaufen. In Burtons Film musste der Held seine Crewmitglieder und Geldgeber immer wieder mit seinem manischen Charme umgarnen und überreden. Der "Disaster Artist" kauft seine Crew einfach, wie er alles kauft. Dadurch wird er uns nicht sympathischer. Was ist denn nerviger als ein Vollidiot? Ein reicher Vollidiot.
Und auch für die Nebenfiguren können wir uns kaum erwärmen. Die Geschichte wird aus der Sicht von Tommys einzigem Freund, Greg (Dave Franco) erzählt. Er wohnt in Tommys Wohnung und die zweite Hauptrolle in "The Room" ist offensichtlich sein einziger Job in einem Zeitraum von mehreren Jahren. Als er sich ein einziges Mal gegen Tommy stellen müsste, kneift er und verliert dadurch ein Engagement in der Serie "Malcolm mittendrin".
An einer Stelle behandelt Tommy seine Hauptdarstellerin beim Drehen einer Sexszene wie ein Stück Fleisch. Diese lässt alles über sich ergehen, weil sie "ein Profi" ist. Es ist niemals angenehm zu sehen, wie sich eine Frau aus Angst um ihren Job erniedrigen lassen muss. Aber wie eine solche Szene in einer Komödie funktionieren sollte, muss wohl ein Rätsel bleiben.
Cast and Crew:
James Francos Leistung in "The Disaster Artist" ist teilweise beeindruckend. Es ist faszinierend, wie er als Schauspieler sämtliche merkwürdige Manierismen des Vorbilds punktgenau wiedergibt. Tommys Art zu sprechen, sich durch den Raum zu bewegen, sein Schauspiel, … all das entspricht dem Original aufs i-Tüpfelchen. Das Ganze wird nur leider irgendwann ermüdend. Wenn wir nach 45 Minuten endlich sehen, wie "The Room" nun entsteht, hat der Gag sich längst abgenutzt. Auch als Regisseur leistet James Franco Erstaunliches. Ganze Sequenzen des Originalfilms werden eins zu eins kopiert. Jeder Fehler der Beleuchtung, jedes unpassende Detail der Ausstattung, jeder Takt des miesen Timings werden exakt wiedergegeben. Aber hier liegt auch das größte Problem von "The Disaster Artist": kein Mensch kennt das Original. Wenn wir am Ende des Films im split-screen minutenlang Original und Kopie nebeneinander gezeigt bekommen, dann sicher nur weil Franco das Ergebnis der ganzen Mühe mal vorführen wollte.
Dave Franco ("Scrubs - Med School", "Now You See Me"), der kleine Bruder von James, spielt hier Tommy Wiseaus einzigen Freund, Greg. Die Geschichte wird aus seiner Sicht erzählt. Dave Franco bemüht sich hier, jugendliche Naivität und echte Begeisterung zu vermitteln. Es ist nicht seine Schuld, wenn seine Figur uns nie ans Herz wächst.
Ari Graynor hat bisher köstliche Nebenrollen in "Nick an Norah" und "The Sitter" gespielt. Hier tut sie uns als unglückliche Hauptdarstellerin von "The Room" einfach nur leid.
Die Nebenrollen in "The Disaster Artist" sind ausnahmslos hochkarätig besetzt. Allerdings bekommen die Darsteller praktisch nichts zu tun. Alison Brie hat in "Community" gezeigt, dass sie eine der witzigsten Darstellerinnen im amerikanischen Fernsehen ist. Hier ist sie bloß ein Stichwortgeber für die beiden Hauptdarsteller.
Man muss sich fragen, warum Stars wie Seth Rogen, Zac Efron und Josh Hutcherson Nebenrollen in einer Komödie angenommen haben, in der sie nichts Witziges zu sagen haben?
Megan Mullaly ("Will and Grace") die Rolle von Gregs Mutter zu geben und sie dann nicht zeigen zu lassen was sie kann, ist nicht bloß eine Verschwendung von Talent sondern ein Verbrechen. Ich habe mir nach der Pressevorführung von "Disaster Artist" daheim ihre Gastauftritte in "Parks and Recreation" angesehen, um mich wieder zu beruhigen. Bin ja schließlich auch nur ein Mensch.
Fazit
Natürlich ist "The Disaster Artist" witzig. Wenn der selbstverliebte Schauspieler Brando imitiert indem er einfach nur immer wieder "Stella" brüllt, ist das schon lustig. Die vielen Stars in Nebenrollen und Cameos alleine machen den Film interessant. Aber bei all den Stars und bei all dem technischen und schauspielerischen Können das in dem Film steckt, fehlt doch etwas. James Franco hätte uns einfach ein bisschen weniger Selbstverliebtheit und dafür ein bisschen mehr Liebe zum Filmemachen zeigen sollen.
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