Die Heldin von Robert Rodriguez‘ neuem Film ist ein Cyborg. Das bedeutet, ...
... sie besteht aus High-Tech, hat aber ein menschliches Hirn und sogar sowas wie ein Herz. Wenn man das bloß auch von dem Film sagen könnte …
26th Century Fox
Im Jahr 2563 hat sich die Erde noch immer nicht von dem großen Krieg 300 Jahre zuvor erholt. Dr. Dyson Ido (Christoph Waltz) sucht auf einer Müllhalde nach Technik, die er ausschlachten kann. Da findet er den Kopf und den Oberkörper eines jungen, weiblichen Cyborgs. Nachdem er sie mit einem funktionierenden Körper versehen hat, nennt er die junge Frau „Alita“ und nimmt sie unter seine Fittiche. Aber Alita (Rosa Zalazar) ist mehr als bloß ein einfacher Cyborg …
Co-Produzent und Co-Drehbuchautor James Cameron meinte, dass er die japanische Manga-Serie „Battle Angel Alita“ bereits 1995 verfilmen wollte. Aber damals wollte er vorher unbedingt erst noch einen Film über eine missglückte Bootsfahrt machen. Und später hat er sich beim Versuch verzettelt, eine Science-Fiction-Version von „Der mit dem Wolf tanzt“ auf die Leinwand zu bringen (nach letztem Stand dürfen wir uns übrigens noch auf vier weitere Teile von „Avatar“ freuen, nicht bloß auf drei. Herr Cameron will offensichtlich niemals in Rente gehen.)
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Und hierin liegt vielleicht die Erklärung für das größte, wenn auch nicht das einzige Problem von „Alita: Battle Angel“: Vor zwanzig Jahren wäre das nämlich ein fantastischer Film gewesen. Vor fünfzehn Jahren wäre das immer noch ein toller Film gewesen. Aber in den letzten zehn Jahren haben wir alles, aber auch wirklich alles was dieser Film uns zeigt, einfach viel zu oft gesehen.
Die Welt nach dem wirtschaftlichen Kollaps haben wir erst neulich in „Ready Player One“ gesehen. Und in „Elysium“ haben wir die Welt nach dem wirtschaftlichen Kollaps inklusive Enklave für die Reichsten der Reichen gesehen. Cyborgs hatten wir zuletzt in „Robocop“, Cyborgs mit Gefühlen unter anderen in „A.I.“ und einen hübschen weiblichen Cyborg mit Gefühlen bekamen wir in „Ex Machina“ geboten. Helden, die mit Schwertern gegen Kampfroboter kämpfen, waren in allen drei Star-Wars-Prequels zu sehen. Und wie oft ich in den letzten Jahren kämpfende Maschinenwesen im Kino gesehen habe, mag ich gar nicht zählen.
Nichts was wir in „Alita: Battle Angel“ gezeigt bekommen ist irgendwie originell. Sogar das im Fernsehen übertragene Sportspektakel „Motorball“ haben wir bereits vor mehr als vierzig Jahren in „Rollerball“ gesehen. Aber nicht nur die Motive und Handlungselemente kommen einem furchtbar bekannt vor. Christoph Waltz spielt einen Kopfgeldjäger, der seinem Protegé in viel zu langen Dialogszenen die Welt erklärt. Ob ihm klar war, dass es dafür nach „Django Unchained“ nicht noch einmal einen Oscar geben kann?
In the year 2563 …
Und damit sind wir beim zweiten Problem dieses Films: Nicht nur Christoph Waltz’ Rolle als Ersatzvater/Doktor/Kopfgeldjäger ist schlampig geschrieben. Alle handelnden Figuren und Ihre Handlungen entspringen einem Drehbuch, das keinerlei Inspiration erkennen lässt. Die Protagonisten tun was sie tun, nicht weil es ihren Charakteren und deren Entwicklung entsprechen würde. Sie tun was sie tun, weil es für die Handlung erforderlich ist.
Und sie tun es nur dann, wenn es für die Handlung erforderlich ist. In einer Welt, in der die Ressourcen so knapp sind, dass die Menschen Müllhalden nach Brauchbarem durchsuchen und Cyborgs überfallen und ihrer technischen Teile beraubt werden, liegt seit dreihundert Jahren das Wrack eines marsianischen Kriegsschiffes vor der Stadt. Und dreihundert Jahre lang hat niemand versucht, sich die Technologie darin zu Nutze zu machen. Erst Alita kommt auf die Idee, dieses Raumschiff zu betreten.
Eine ehrgeizige, skrupellose Person, die nur auf ihren persönlichen Vorteil bedacht ist, entdeckt just im richtigen Augenblick ihr Gewissen. Dr. Ido lehnt es strikt ab, Alitas Körper mit der Kriegstechnik vom Mars aufzurüsten. Drei Szenen später tut er genau das. Eine Liebesgeschichte entwickelt sich ruckzuck gerade rechtzeitig, damit einer der beiden Liebenden umkommen und vom andern betrauert werden kann. Das alles wird so schlampig ab gewickelt, dass nichts davon den Zuseher emotional zu erreichen vermag.
Aber nicht nur das Drehbuch, auch die Regie zeigt wenig eigene Einfälle. Robert Rodriguez hat in Filmen wie „From Dusk Till Dawn“, „Sin City“ oder „Machete“ immer wieder herrlich schräge Ideen umgesetzt. Hier zeigt er nichts davon. Die einzelnen Szenen wirken entweder belanglos oder überinszeniert. Der erste in einer Serie von Überfällen auf junge Frauen, wirkt wie eine Szene aus einem alten Fernsehkrimi. Eine Kneipenschlägerei bleibt gemessen am Budget des Films enttäuschend. Andererseits wird eine einfache Szene, wie die in der Dr. Ido Alita findet, durch epische Kameraführung und übertriebene Musik mit zusätzlicher Bedeutung überladen.
Die Kampfszenen müssen natürlich den Regeln für 3D-Filme gehorchen. Daher muss ständig irgendjemand oder irgendwas oder im Idealfall irgendjemand UND irgendwas durch die Luft wirbeln, auf den Betrachter zu oder vom Betrachter weg stürzen und ganz allgemein die Bewegungsmuster von Flipperkugeln imitieren. Aber auch das haben wir in den letzten Jahren allzu oft gesehen. Und oft genug besser.
Und noch etwas haben wir in den letzten Jahren oft genug gesehen: Filme, die ganz unverhohlen ihre eigene Fortsetzung ankündigen. Vor einigen Monaten gab es in „Kin“ eine ganze Sequenz, die bloß dazu diente, das Publikum auf die Fortsetzung vorzubereiten. „Alita: Battle Angel“ geht hier noch einen Schritt weiter. Hier ist der ganze Film nur eine Vorbereitung auf die Fortsetzung. So fehlt dem Film das Finale. Tatsächlich fehlt dem Film ein funktionierender dritter Akt, wodurch er dramaturgisch nicht auf eigenen Beinen stehen kann.
Wer bin ich?
Rosa Salazar („Maze Runner“) spielt Alita. Wie weit die junge Darstellerin die Figur tatsächlich spielt, ist schwer zu entscheiden. Die Figur der Alita ist nämlich computergeneriert und wurde Rosa Salazar mittels „Motion Capture“-Verfahren „übergestülpt“. Wieviel davon ihre Leistung ist und wie viel die der CGI-Zauberer mag jeder selbst entscheiden. Die sympathische Darstellung Alitas ist einer der wenigen echten Pluspunkte des Films.
Christoph Waltz spielt eine Rolle, die er vermutlich auch im Schlaf spielen könnte. Und in manchen Szenen wirkt es, als hätte er genau das versucht. Bruce Willis ausgenommen, hat man selten einen so offensichtlich gelangweilten Darsteller auf der Leinwand gesehen.
Jennifer Connelly („A Beautiful Mind“) spielt eine Rolle, die dieser großartigen Darstellerin nichts zu tun gibt. Mahershala Ali („House of Cards”) spielt einen schwarzen Gangster. „Schwarzer Gangster“ war vermutlich nicht nur die Rollenbeschreibung, sondern auch noch die einzige Regieanweisung, die Ali je bekommen hat.
Der gute alte Jeff Fahey („Weißer Jäger, Schwarzes Herz“) hat einen halbwegs witzigen Auftritt als Hundeliebhaber.
Fazit
Im Gegensatz zu seiner Heldin hat dieser Film nur wenig Herz und noch weniger Hirn. Und so bekommen wir bloß hochwertig produzierte Dutzendware zu sehen.
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