Uppercut - Kinostart: 23.01.2025

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In Boxfilmen ist fast immer der Underdog der Held. Aber wie uns einer der ...
 
... besten Boxfilme aller Zeiten gelehrt hat, kann der Underdog nicht immer gewinnen …
 
I don’t train fighters. I make fighters.
 
Die junge Toni steht in der Boxhalle des alternden Trainers Elliott. Sie will von der Legende trainiert werden. Sie ist wild entschlossen, von der Legende trainiert zu werden. Er muss sie einfach trainieren. Der alte Mann muss doch einfach sehen, wie entschlossen sie ist. Aber der erfahrene Trainer sieht das alles ganz anders …
 
Vorab eine Klarstellung, wie ich persönlich zu Boxfilmen stehe. Ich sehe seit Jahrzehnten etwa einmal pro Jahr „Rocky“ und muss jedes einzelne Mal weinen (Das Gleiche gilt seit einigen Jahren für „Rocky Balboa“. Wir werden alle älter.). Ich kann „Million Dollar Baby“ und „Raging Bull“ nicht so oft sehen, weil beide zu schmerzvoll sind. „When we were Kings“ ist für mich einer der bewegendsten Dokumentarfilme aller Zeiten. Ich schätze sogar skurrile Vertreter des Genres, wie „The Champ“ (mit dem Darsteller des kleinen Lords in einer noch nervtötenderen Rolle) oder „Homeboy“ (mit Mickey Rourke am Anfang vom Ende seiner Blütezeit). Ich amüsiere mich gerne über Errol Flynn als „Gentleman Jim“ und habe mich von Barry Levinson’s „The Survivor“ fast zerstören lassen.
 
Meine Sympathien sind also klar. Und vielleicht sind wir von cinepreview ja auch der Underdog im Vergleich mit dem Feuilleton der großen Tageszeitungen. Vielleicht kann ein feines kleines online-Filmmagazin gar nicht gewinnen, aber es kann mit jedem seiner Berichte über die volle Distanz gehen. Vielleicht sind wir die, die einfach nur noch stehen wollen, wenn der Gong ertönt. Nachdem wir also die Sympathien für Boxfilme und Underdog-Storys geklärt haben, tut es mir furchtbar leid festzustellen, dass „Uppercut“ leider hinten und vorne nicht funktioniert.
 
Regisseur und Drehbuchautor Torsten Ruether ist laut Eigenaussage auf seiner website „ein leidenschaftlicher Storyteller“. Leider erzählt er in seinem ersten internationalem Spielfilm keine Story. Er zeigt Versatzstücke von Mustern, Anklänge an Altbekanntes, eine Menge Klischees und viel, zu viel Dialog. Eine Geschichte wird leider niemals aus diesem Sammelsurium. Daher wird sein Film auch nie so etwas ähnliches wie interessant. Und Spannung kann sowieso niemals aufkommen.
 
Ruether will uns ein Drama zeigen, wo keines ist und wo keines sein kann, weil er keines geschaffen hat. Trotzdem tut Ruether so als ob und besteht darauf, das alles tierisch ernst zu nehmen. Aber wenn einer jungen Frau von einem Tennisball eine Platzwunde zugefügt werden kann, besteht sie wohl nicht wirklich aus dem Stoff aus dem Champions gemacht sind. Am Ende vertreibt man sich die Laufzeit des Films mit Gedanken an die vielen besseren Boxfilme, die Ruether wohl gesehen aber leider nicht verstanden hat.
 
 
Vielleicht ist es auch gerade die Laufzeit des Films, die Torsten Ruether Probleme bereitet hat. Auf seiner website (die sich wirklich überaus aufschlussreich liest) erfahren wir unter anderem: „Seit 1997 kreierte und produzierte er viel beachtete Brand Stories in und für alle Mediengattungen.“ Ich übersetze das mal für alle Leser*innen, die nicht „irgendwas mit Medien“ machen: Der Mann hat bisher in der Werbung gearbeitet. Und das merkt man.
 
„Uppercut“ ist die internationale Version von Ruethers erstem Spielfilm „Leberhaken“. Laut website „entstand während des ersten Lockdowns das Drehbuch zu „Leberhaken“, das Torsten selbst schrieb und im August 2020 mit Hardy Krüger jr. und Luise Grossmann in den Hauptrollen als Produzent und Regisseur in Personalunion verfilmte.“ Uns allen war während des ersten Lockdowns langweilig. Ich persönlich war damals zum Beispiel viel Wandern. Ich habe aber auch von Leuten gehört, die plötzlich Brot gebacken haben. Es war eine harte Zeit.
 
„Leberhaken“ entstand damals innerhalb von wenigen Tagen. Viel länger kann die Produktion der internationalen Version „Uppercut“ auch nicht gedauert haben. Und das Budget kann auch nicht wirklich hoch gewesen sein. Beides merkt man. Wir Fans erinnern uns, wie wenige Zuschauer beim Titelkampf am Ende von „Rocky“ im Bild zu sehen waren. In „Uppercut“ bekommen wir einen Geister-Boxkampf ohne jedes Publikum gezeigt.
 
I can’t teach, what can’t be tought
 
An dieser Stelle kann ich nicht anders. Ich MUSS noch zweimal Ruethers website zitieren. Auch wenn die Zitate nicht direkt mit seinem neuen Film zu tun haben. „Leberhaken war im September 2021 Eröffnungsfilm des Internationen Filmfestivals in Oldenburg, auch „das Sundance Europas“ genannt.“ Ernsthaft? Von wem? Ich möchte das wirklich wissen: von wem wird das „Internationen Filmfestival in Oldenburg, auch „das Sundance Europas“ genannt“? Von irgendjemandem außerhalb Oldenburgs? Zuschriften bitte gerne an die Redaktion.
 
Und noch ein Zitat: „Torsten wirkt dort, wo sich Sinn und Sinnlichkeit verweben. Wo Geschichten verfangen. Und deswegen Menschen verweilen.“ (Und ich dachte, ich könnte den Bogen überspannt haben, als ich uns von cinepreview mit Rocky verglichen habe). In „Uppercut“ verwebt sich leider gar nix, weder Sinn noch Sinnlichkeit. Hier verfängt keine Geschichte, weil zu wenig da ist, das sich verfangen könnte. Und verweilen mag man auch nicht, weil einem die gut 100 Minuten des Films reichlich lang vorkommen.
 
Aber vielleicht sind mit den Menschen, die verweilen, auch die Schauspieler*innen gemeint? Ein echter Regisseur hätte deren Verweildauer benutzt, um mit ihnen Rollen zu erarbeiten. Ving Rhames war legendär in „Pulp Fiction“ und cool in “Con Air”. Aber in letzter Zeit bleibt er mit Filmen wie „The Instigators“ oder jeder „Mission: Impossible“ gerne in seiner Wohlfühlzone. Seine Leistung in „Uppercut“ besteht aus einer apathischen Version des alten Klischees vom widerstrebenden Trainer, von Burgess Meredith bis Clint Eastwood. Ving Rhames war einfach der bekannteste Darsteller, der bereit war, diesen Job für die gebotene Gage zu übernehmen. Und das merkt man leider auch.
 
Wo Ving Rhames viel zu wenig bietet, ist Hauptdarstellerin Luise Großmann noch viel ehrgeiziger als ihre Figur. Leider macht Ehrgeiz allein noch keinen Champion aus. Man braucht Können, Wissen und Erfahrung. Wenn Luise Großmann sich „gangsta“ geben will, wirkt das lächerlich. Wenn sie mit dem Akzent einer deutschen Vorzugsschülerin Dialogzeilen wie „My own damn ass sent me“ von sich gibt und immer wieder beteuert, „I can do it“ und „I can take it“, klingt das unfreiwillig komisch.
 
Luise Großmann wirkt in den Szenen als übereifrige junge Boxerin überfordert. In Szenen, die sie als toughe Promoterin zeigen, kann man nicht mehr von Überforderung sprechen. Sie wirkt wie ein kleines Mädchen, das mit den Sachen der Mutter Verkleiden spielt. Frau Großmann hat bisher Erfahrungen in Produktionen wie „SOKO Leipzig“ und „SOKO Wismar“ gesammelt. Und auch das merkt man.
 
Joanna Cassidy kennen wir als Zhora in „Blade Runner“. Weil ich bereits seit „Klauen wir gleich die ganze Bank“ eine Schwäche für diese Schauspielerin habe, war das Wiedersehen mit ihr in einer kleinen Nebenrolle für mich noch das Beste an „Uppercut“. Davon abgesehen hat dieser Film für Filmfans und vor allem für Fans von Boxfilmen leider nicht viel zu bieten.
 
 
Fazit
 
Um ein Underdog zu sein, muss man wenigstens wissen, was man tut. Ist das nicht der Fall, ist man einfach nur überfordert. Weder Torsten Ruether noch sein Film sind ein Underdog.
 
 
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Weitere Informationen

  • Autor:in: Walter Hummer
  • Regie: Torsten Ruether
  • Drehbuch: Torsten Ruether
  • Besetzung: Ving Rhames, Luise „Luiii” Grossmann