Üblicherweise informieren wir hier bei cinepreview.de über aktuelle Filme, ...
... die demnächst im Kino anlaufen. Aber weil es eine brandneue Blu-ray von „The Weather Man“ gibt und wir sogar einige Exemplare davon verlosen, dürfen sich unsere Leser*innen über ein paar Zeilen zu diesem Film von 2005 freuen.
You don’t have to be a dick
Jüngere Filmfans werden das kaum glauben können. Aber es gab mal eine Zeit, als Nicolas Cage ein echter Hollywoodstar und keine bloße Skurrilität war. Und er war mal einer der renommiertesten Filmschauspieler der Welt. Cage hat 1996 einen Oscar für „Leaving Las Vegas“ bekommen (Natürlich hätte den Oscar in dem Jahr Sean Penn für „Dead Man Walking“ verdient Aber über die Fehlentscheidungen der Academy of Motion Picture Arts and Sciences schreibe ich vielleicht ein andermal einen Artikel. Oder ein Buch).
Cage dreht in jüngster Zeit im Schnitt in 4-5 Filme pro Jahr. Keiner dieser Filme ist wirklich gut. Kaum einer dieser Filme läuft bei uns überhaupt im Kino, die meisten werden direkt auf DVD oder Streaming-Diensten vermarktet. In fast all diesen Filmen ist Cage der Held. Seine Rollen und die Art wie Cage sie gestaltet erinnern kaum jemals an reale Menschen. Das war mal anders. Währen der ersten 20 Jahren seiner Karriere hat Cage vor allem ganz alltägliche, nahbare Figuren dargestellt.
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In „Birdy“ war er der „normale“ Freund des nervenkranken Kriegsveteranen. In „Raising Arizona“, dem ersten Erfolg der Coen-Brothers, war er ein sympathischer Looser, ebenso in „Moonstruck“ mit Cher. Zugegeben, in David Lynchs durchgeknalltem „Wild at Heart“ war Cage vor allem, … naja … durchgeknallt. Aber bereits in „Red Rock West“ und „Guarding Tess“ wirkte er vor allem durch sein stilles, zurückhaltendes Spiel. Ja, Nicolas Cage konnte mal still und zurückhaltend spielen. In „It Could Happen To You“ erinnerte er in seiner ruhigen, sympathischen Art an Cary Cooper oder James Stewart in Filmen von Frank Capra.
Aber Cages Karriere und seine Rollenauswahl sollten sich bald verändern. Nach seinem Oscargewinn drehte er nacheinander drei teure, aufwendige Actionspektakel. „The Rock“ war unter anderem wegen Cages Antihelden-Darstellung einer der besten Action-Filme seiner Zeit. Aber schon „Con Air“ war zwar überaus hochwertig produziert, aber nicht nur wegen seiner wenig subtilen ultrarechten Botschaft doch mit Vorsicht zu genießen. „Face/Off“ war grandios produzierter Schwachsinn und der erste Film, in dem Cage das hemmungslose Over-Acting betreiben durfte, das bald zu seinem Markenzeichen werden sollte. Bald kamen Immobilenkäufe, Steuerschulden und Haarteile. Der Rest ist, wie man so schön sagt, Film-Geschichte.
That was refreshing
„The Weather Man“ ist schon mal deshalb interessant, weil wir hier Nicolas Cage vielleicht zum letzten Mal einen ganz normalen Menschen in einem anspruchsvollem Drama spielen sehen. Dieser David Spritz ist weder Cop, noch Waffenhändler oder Superheld. Dieser Mann will weder die Unabhängigkeitserklärung noch 50 Autos in einer Nacht stehlen. Der „Weather Man“ will bloß, was die meisten von uns wollen: einen besseren Job, seine Familie zusammenhalten und die Anerkennung seines Vaters.
Und wie die meisten von uns stellt er sich dabei weder besonders klug noch besonders geschickt an. Er sagt die falschen Dinge zur falschen Zeit. Die Dialoge dieses Films sind auf unspektakuläre sehr gut geschrieben, weil sie uns immer wieder zeigen, wie wenig es braucht, damit ein Gespräch zwischen vernünftigen Erwachsenen schief läuft. Dave, der seine Gesten vor der Wetterkarte so mühelos beherrscht, hat mit Gesten im Privatleben weniger Glück. In einer Szene schlägt er den neuen Partner seiner Exfrau mit einem Handschuh ins Gesicht. In einer anderen kann er nur den ersten Satz einer wichtigen Rede herausbringen bevor er unterbrochen wird.
All das stellt Cage immer nachvollziehbar und nahbar dar. Seine Figur ist weder dazu gedacht noch geeignet, uns richtig sympathisch zu werden. Aber wir können jederzeit verstehen, was dieser David tut und sagt und warum. Wenn Davids Vater Mühe hat, ihn zu verstehen, verstehen wir David doch jederzeit. Wenn Davids Exfrau ihn nicht mehr sehen will, interessiert es uns doch, wie es mit David weitergeht.
Aber nicht nur Cage zeigt eine der besten Leistungen seiner Karriere. Der großartige Sir Michael Caine zeigt, warum er seit Jahrzehnten einer der besten Nebendarsteller der Filmgeschichte ist. Christopher Nolan weiß genau, warum er Sir Michael in fast jedem seiner Projekte einsetzt. Caine hat eine Gravitas, die jede Szene mit ihm zu einem Höhepunkt des jeweiligen Films macht. Ohne großen Aufwand bildet er immer wieder das emotionale und künstlerische Zentrum eines jeden Films in dem er mitwirkt.
Cage und Caine spielen großartig miteinander, während ihre Figuren doch immer wieder aneinander vorbeireden. Regisseur Gore Verbinski hat uns mehrere opulente Teile von „Pirates of the Caribbean“ um die Ohren gehauen, wollte uns mit seinem in jeder Hinsicht übertriebenen „Lone Ranger“ betäuben und mit der komplett bizarren „Cure for Wellness“ erschlagen. Hier inszeniert er angenehm zurückhaltend und unspektakulär ein nur wenig dramatisches, weil sehr realistisches Drama.
Fazit
Vielleicht ist „The Weather Man“ kein Meisterwerk. Aber nicht nur weil sowohl Nicolas Cage als auch Regisseur Gore Verbinski hier – vielleicht zum letzten Mal - ungewohnt anspruchsvoll und lebensnah gearbeitet haben, ist dieser Film ein Kleinod der Filmgeschichte. Ein Kleinod, das es für echte Filmfans zu entdecken gilt. Und dabei helfen wir von Cinepreview.de mit unserem Gewinnspiel.
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