Zoé und Sturm: Mein Traum vom Reiten - Kinostart: 10.08.2023

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Mindestens einmal pro Jahr muss ein Mädchen-Pferde-Drama ins Kino kommen.
 
Nur selten sind solche Filme für Filmfans interessant, die nicht auch Fans dieses Genres sind …
 
Küsse und Heu
 
Zoé wächst bei Ihren Eltern auf einem großen Gestüt in der Normandie auf. Die Mutter ist Tierärztin, der Vater züchtet Trabrennpferde im Auftrag eines reichen Amerikaners. Zoé wurde sogar im Stall geboren. Natürlich dreht sich das Leben des Mädchens nur um Pferde. Und natürlich will sie später mal Jockey werden. Doch dann ändert sich plötzlich alles in einer Nacht …
 
Es folgt eine kurze und unvollständige Liste von furchtbar schlechten Filmen, die ich im Laufe des letzten Jahres im Rahmen meines Jobs gezwungen war zu sehen: „Asterix & Obelix im Reich der Mitte“, „Shattered: Eine gefährliche Affäre“, „Lieber Kurt“, „Pinocchio“ und „Immenhof: Das große Versprechen“ Jeder dieser Filme ist auf seine Art furchtbar. Diese Filme sind nicht einfach nur schlecht. Ein schlechter Film kann immer noch interessant sein. Sie sind furchtbar, weil es tatsächlich Mühe, ja echte Anstrengung gekostet hat, bis zum Abspann im Kino sitzen zu bleiben.
 
Einer der anstrengendsten dieser furchtbaren Filme war „Immenhof: Das große Versprechen“. An diesem Film war nichts gut. Die hanebüchene „Handlung“, die kaum als solche zu bezeichnen war; die schlechten Darsteller, die uninspiriert durch den Film stolperten; die Verniedlichung und Vermenschlichung der Pferde; … alles war furchtbar. Dieser Film war sogar gemessen am Standard von Mädchen-Pferde-Dramen einfach nur schlecht. Und ich sage dass, obwohl im anderen Mädchen-Pferde-Drama des letzten Jahres tatsächlich ein Außerirdischer vorkam.
 
Dabei müssen Mädchen-Pferde-Dramen nicht schlecht sein (und können auch durchaus ohne Außerirdische auskommen). Schon die junge Liz Taylor hat uns mit ihrem Pferd in „Kleines Mädchen, großes Herz“ zu Tränen gerührt. In „Der Pferdeflüsterer“ leistete die junge Scarlett Johansson Erstaunliches, während Kristin Scott Thomas dem Charme von Robert Redford verfiel (und wer wollte es ihr übel nehmen?). Aber die meisten dieser Mädchen-Pferde-Dramen bewegen sich dann doch auf dem belanglosen Niveau von „Bibi & Tina“, mit gelegentlichen Ausreißern nach unten.
 
„Zoé & Sturm“ ist mit den Filmen der Reihe rund um „Bibi & Tina“ überhaupt nicht vergleichbar (und sollte niemals im gleichen Atemzug mit „Immenhof: Das große Versprechen“ genannt werden dürfen). „Zoé & Sturm“ ist der seltene Glücksfall eines Genre-Films, dessen Macher sich des Genres und seiner Vorgaben wohl bewusst waren und die dann einfach den bestmöglichen Film dieses Genres gemacht haben.
 
Keine Diskussion
 
Regisseur und Co-Autor Christian Duguay ist ein Vollprofi. Filmfans können sich vielleicht an „Screamers“ von 1995 erinnern oder haben die TV-Serie „Hitler – Aufstieg des Bösen“ mit dem großartigen Robert Carlyle gesehen. Mit „Jappeloup – Eine Legende“ hat Duguay sich als echter Pferdekenner empfohlen.
 
Und so unterscheidet sich „Zoé & Sturm“ von anderen Mädchen-Pferde-Dramen schon mal in den überaus realistischen Szenen, in denen es um Pferdesport, -zucht und -haltung geht. Dass der Film sich mit Trabern und nicht mit Gallopern beschäftigt, ist eine weitere Besonderheit. Gerittene Trabrennen werden außerhalb Frankreichs eher selten veranstaltet. Dieser Film schafft es, die Besonderheiten dieses Sports zu vermitteln, ohne jemals belehrend oder langweilig zu werden.
 
Kameramann Christophe Graillot („Ein Sack voll Murmeln“) liefert wunderschöne, faszinierende Bilder der Landschaft der Ärmelkanalküste, verschiedener Rennbahnen aber vor allem der Pferde. Diese wunderschönen Geschöpfe und ihre kraftvollen Bewegungen werden ohne verklärenden Weichzeichner gezeigt. Das alles entscheidende Rennen im Regen ist überaus spannend inszeniert und liefert Sportdrama vom Feinsten. Aber auch das Bild einer einsame Reiterin im Schnee berührt uns.
 
 
Natürlich ist die Handlung von „Zoé & Sturm“ vorhersehbar. Natürlich ist vieles an dem Film purer Kitsch. Immerhin ist der Film immer noch ein Mädchen-Pferde-Drama. Aber dieser Film ist eben auch ansprechend inszeniert. Die Drehbuchautoren haben echte Charaktere in nachvollziehbaren Situationen beschrieben. Und das Ganze wurde dann von einem echten Künstler auf Film gebahnt. Das alles macht aus dem Film ein wirklich gelungenes Mädchen-Pferde-Drama.
 
Dabei hilft natürlich auch die hochwertige Besetzung. Mélanie Laurent war in Frankreich bereits ein Star, bevor sie mit „Inglourious Basterds“ auch international bekannt wurde. Seither spielt sie abwechselnd in französischen oder Hollywoodproduktionen („Now You See Me“, „6 Underground“). Hier überzeugt sie als starke, intelligente Frau und Mutter, die genau weiß, was sie ihrem Kind zu sagen und ihrem Mann zu verschweigen hat.
 
Pio Marmaï (Porthos in der Neuverfilmung von „Die drei Musketiere“ mit Eva Green) vermittelt uns die Hilflosigkeit eines besorgten Vaters. Der junge Schweizer Kacey Mottet Klein spielt einen ganz besonderen Pferdepfleger ganz besonders sympathisch. Danny Huston („X-Men Origins: Wolverine“) vermeidet in der Rolle des amerikanischen Geschäftsmannes die üblichen Klischees. Und in einer kleinen Nebenrolle ist sogar „Dieses obskure Objekt der Begierde“, Carole Bouquet, zu sehen.
 
Die Titelheldin Zoé wird im Laufe des Films von drei verschiedenen, sehr begabten jungen Damen verkörpert. Die kleine June Benard verzaubert uns mit ihrer kindlichen Lebensfreude. Charlie Paulet lässt uns die trotzige Wut einer Heranwachsenden in der Krise fühlen. Und Carmen Kassovitz ist eine überzeugende Kämpferin im letzten Drittel des Films.
 
 
Fazit
 
Kompetenz vor und hinter der Kamera und echter Pferdeverstand sorgen für einen Genre-Film, der auch Filmfans anspricht, die keine Fans von Mädchen-Pferde-Dramen sind. Selten wurden Trabrennpferde so schön und so interessant in Szene gesetzt.
 
 
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Weitere Informationen

  • Autor:in: Walter Hummer
  • Regie: Christian Duguay
  • Drehbuch: Lilou Fogli
  • Besetzung: Mélanie Laurent, Pio Marmaï