Und wieder ein animierter Kinderfilm aus europäischer Produktion.
Ist dieser Film denn einen Kinobesuch wert?
Deine Welt sind die Berge …
Johanna Spyri, die Autorin der Bücher rund um „Heidi“, war eine faszinierende Frau. Sie war die Tochter des Chirurgen Johann Jakob Heusser und der Dichterin Meta Heusser-Schweizer (obwohl der Vorname „Meta“ stark nach moderner Influencerin gilt, bereits 1797 geboren). Viele ihrer Verwandten waren Wissenschaftler; eine Nichte war die erste weibliche Juristin der Schweiz. Zu ihrem Freundeskreis gehörte unter anderem Richard Wagner. Ihre Geschichten schrieb Spyri ausdrücklich „für Kinder und auch für Solche, welche die Kinder lieb haben“. Und hier fängt es an für mich schwierig zu werden, den neuesten Film rund um ihre bekannteste Figur milde zu rezensieren.
Die Handlung von „Heidi – Die Legende vom Luchs“ ist banal. Der Filmtitel ist bereits die halbe Inhaltsangabe. Heidi rettet einen kleinen Luchs, gibt ihm den Namen Peps, stellt jede Menge Unsinn an, bringt sich und andere mehrfach in Gefahr und weil solche Geschichten immer gut ausgehen und am Ende alle Probleme gelöst sein müssen, rettet sie am Ende den kleinen Luchs, seine Familie, den Großvater und das ganze Dorf, führt den Bösewicht seiner gerechten Strafe zu, sorgt für Frieden im Nahen Osten, löst das Problem der kalten Fusion und erfindet die erste Tiefkühlpizza, die nicht ekelhaft schmeckt.
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Ich würde gerne sagen, die Dialoge passen zur banalen Handlung. Aber tatsächlich machen sie alles noch schlimmer. An einer Stelle versucht die treudoofe Heldin den raffgierigen Spekulanten von seinem schändlichen Tun abzubringen und wir hören folgenden Höhepunkt abendländischen Filmdialogs: „Ein guter Mensch zu sein, ist doch viel besser als einfach nur reich.“ Schon in Johanna Spyris Nachruf hieß es, „Sie hatte sich in ihren Schriftwerken nur an Diejenigen gewandt, welche die Kunst naivgläubig genießen“, aber das war 1901. Solche „Naivgläubigkeit“ auch 2025 noch vom Publikum zu erwarten, ist dann doch ein bisserl arg viel verlangt.
1901 hieß es über die verstorbene Autorin auch „Den großen Conflicten und Nachtseiten des Lebens ging ihr frommes Auge wie ihr zarter Stift aus dem Wege.“. In diesem Sinne hätten die nicht weniger als drei Autoren des neuen Films vielleicht auf die aufgesetzte Umweltschutz-Botschaft des Films verzichten können. Oder diese wenigstens mit Spyris „zarten Stift“ verfassen. Leider haben sie diese aber mit einem ganz groben Pinsel ins Drehbuch geklatscht.
Denn dort oben bist Du zu Haus …
Apropos „grober Pinsel“, die Qualität der Animation liegt auf dem Niveau einer Fernsehserie, die bereits vor ein paar Jahren im Fernsehen gelaufen ist. Figuren mit wenig ausdrucksvollen Gesichtern bewegen sich vor statischen Hintergründen teilweise wie Avatare aus einer Wii. Hätte ich nicht gewusst, was für ein Hund Josef sein soll, hätte ich ihn in dieser Version nicht als Bernhardiner erkannt. Oder auch nur als Hund. Peter sieht an einigen Stellen aus, als sollte man besser mal seine Chromosomen nachzählen.
Je weniger man über die deutsche Synchronisation berichtet, umso besser. Aus irgendeinem Grund durfte Max Giermann einer der Figuren seine Stimme leihen. Ich schätze, man darf schon froh sein, dass er das nicht wieder zum Anlass genommen hat, seine unsägliche Klaus-Kinski-Imitation vorzuführen. Eine neue Version des alten Schlagers von Gitti & Erika, diesmal von Claudia Koreck interpretiert, klingt ganz nett, mehr aber auch nicht.
Ich will „Heidi“, diese offensichtlich mit überschaubarem Budget entstandene deutsch-ungarisch-belgische-wasweißichnoch Co-Produktion nicht mit Filmen von Disney, Pixar oder Dreamworks vergleichen. Die Macher von „Heidi – Die Legende vom Luchs“ können wohl nichts dafür, dass auf der anderen Seite des Atlantiks hochintelligente, extrem hochwertige Filme gemacht werden, in denen Kindern leicht verständlich und unterhaltsam anspruchsvolle psychologische, soziale und philosophische Konzepte nähergebracht werden. Vielleicht sollte ich nicht so hart mit diesem banalen, kleinen, billigen Filmchen ins Gericht gehen?
Aber vielleicht weil ich neulich tatsächlich mal privat im Kino war und meine Karte und mein Getränk selbst bezahlen musste (in einem Kino, in dem ein „kleines Getränk“ 0,5 Liter Inhalt bedeutet und ein „mittleres“ einen vollen Liter Inhalt!), habe ich mal überschlagen, was es kostet, wenn „Kinder und auch Solche, welche die Kinder lieb haben“ sich diesen Film im Kino ansehen. Die nicht unbeträchtliche Summe, die für Tickets, Getränke und Knabberzeug für zwei Kinder und zwei Erwachsene fällig wird, fällt ja bei diesem banalen, kleinen, billigen Filmchen keinen Cent geringer aus als bei einer der anspruchsvollen Produktionen von der linken Seite des Atlantiks.
Fazit
Eltern, deren Kinder die DVD-Box mit der alten Fernsehserie schon x-mal durchgesehen haben, können sich mit ihren Lieben auf den Weg ins Kino machen. Alle anderen sollten sich überlegen, das Geld für Tickets, Getränke und Knabberzeug gewinnbringender zu investieren.
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