In seiner 47. Regiearbeit begibt sich Woody Allen zurück in die fünfziger Jahre …
... und besucht das kunterbunte Vergnügungsviertel Coney Island am Südzipfel von Brooklyn. Schöne Bilder und ein stimmiges Zeitkolorit stehen bei diesem Ausflug einer schematischen Geschichte und klischeehaften Protagonisten gegenüber, die das vom Drehbuch beschworene emotionale Chaos nie richtig auf den Zuschauer übertragen können.
Kein Jahr ohne neuen Allen
Dass Woody Allen jedes Jahr, zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk, einen neuen Film herausbringt, ist keineswegs selbstverständlich. Immerhin hat der in New York geborene Regisseur das offizielle Rentenalter schon lange überschritten und trägt seit den frühen Neunzigern den juristisch nie geklärten Vorwurf mit sich herum, seine Adoptivtochter Dylan Farrow missbraucht zu haben. Trotz dieser Anschuldigungen gelingt es dem mittlerweile 82-jährigen Filmemacher regelmäßig, Hollywood-Stars für seine Arbeiten zu gewinnen und ihnen nicht selten einprägsame Darbietungen zu entlocken. Auch in seinem jüngsten Streifen „Wonder Wheel“ tummeln sich einige prominente Mimen, die das formelhafte Melodram jedoch nicht aufwerten können.
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Von den kriminellen Handlagern ihres Gangstergatten verfolgt, verschlägt es die verzweifelte Carolina (Juno Temple) in den fünfziger Jahren zu ihrem entfremdeten Vater Humpty (Jim Belushi), einem Karussellbetreiber auf Coney Island, und dessen zweiter Ehefrau Ginny (Kate Winslet), einer früheren Schauspielerin, die sich inzwischen als Kellnerin verdingt und immer häufiger mit ihrem eintönigen Leben hadert. Eines Tages begegnet Ginny dem Studenten Mickey (Justin Timberlake), der von einer großen Karriere als Bühnenautor träumt, seine Brötchen aber noch als Rettungsschwimmer verdient. Schon bald beginnen die beiden eine leidenschaftliche Affäre, die Ginny auf einen Neuanfang hoffen lässt. Als Mickey jedoch Carolina über den Weg läuft, steht das junge Glück vor dem Aus.
Augenschmaus und Schablonenhaftigkeit
Wer kräftig-bunte Bilder und eine nostalgisch gefärbte Atmosphäre liebt, kommt in „Wonder Wheel“ zweifelsohne auf seine Kosten. Allen, Kameraveteran Vittorio Storaro und Szenenbildner Santo Loquasto geben sich reichlich Mühe, die fünfziger Jahre möglichst detailreich wieder auferstehen zu lassen und das wuselige Treiben am Strand von Coney Island greifbar zu machen.
Viele Einstellungen sprühen nur so vor Lebendigkeit. Und immer wieder werden besonders die Haare der Darstellerinnen in ein verführerisches Licht getaucht. Müsste man den Beziehungsreigen nur anhand seiner Optik bewerten, fiele das Urteil sicherlich zufriedenstellend aus. Filme leben allerdings auch von ihrer Handlung und ihren Figuren, was der Regisseur und Drehbuchautor leider zunehmend aus den Augen zu verlieren scheint.
Schon einige seiner letzten Werke wirkten im negativen Sinne routiniert und hatten lediglich banale Geschichten mit austauschbaren Wendungen zu bieten. Mit „Wonder Wheel“ verfestigt sich nun der Eindruck, dass Allen mehr und mehr in eine erzählerische Sackgasse läuft. Obwohl Mickeys augenzwinkernde, direkt an das Publikum gerichtete Einführung eine gewitzte Auseinandersetzung mit der Kunst, dem Leben und der Macht des Schicksals andeutet, fehlen im weiteren Verlauf wirklich doppelbödige Momente.
Hier und da gibt es ein wenig zu lachen. Von einem Mann, der 2013 mit dem bitterbösen Abstiegsdrama „Blue Jasmine“ überraschen konnte, ist man aber weitaus stärkere Pointen gewöhnt. Vorangetrieben wird der seichte Plot durch kleinere und größere Verwicklungen, die Allen nicht sonderlich elegant – soll heißen: nach dem Setzkastenprinzip – verbindet. Was freilich entscheidend dazu beiträgt, dass das losgetretene Gefühlswirrwarr nicht unter die Haut gehen will, auch wenn sich Oscar-Preisträgerin Kate Winslet mit vollem Engagement in die klischeehafte Rolle der frustrierten, leicht hysterischen Ex-Schauspielerin wirft.
Bei allem Respekt vor den optischen Reizen bleibt nur zu hoffen, dass der einst so kreative Filmemacher seine Altersmüdigkeit irgendwie in den Griff bekommt und seinem Publikum mal wieder ein bissig-originelles Kinobonbon serviert.
Fazit
Malen nach Zahlen mit Woody Allen – dass „Wonder Wheel“ an seinem oberflächlichen Drehbuch krankt, kann auch die hübsche Verpackung nicht kaschieren.
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