Dany Boon und Line Renaud nehmen uns mit auf eine Fahrt ...
... durch Paris und durch ein aufregendes Leben. „Im Taxi mit Madeleine“ bietet bittersüße Unterhaltung der nicht zu kitschigen Art.
Lebhaft und gesprächig
Im Kino hat das Taxi seinen festen Platz, nicht nur als Transportmittel, auch als Ort der Offenbarung, der unverhofften Begegnungen und als Seismograf gesellschaftlicher Befindlichkeiten. Der Blick in die Seele spielt etwa eine große Rolle in Martin Scorseses New-Hollywood-Klassiker „Taxi Driver“, der den jungen Robert De Niro als einen rastlosen, von seiner Umgebung entfremdeten Fahrer zeigt, den seine Einsamkeit und seine fehlende Perspektive zu einem Amoklauf treiben.
Ganz so düster wie in diesem meisterhaft inszenierten Identitätsdrama geht es in der französischen Tragikomödie „Im Taxi mit Madeleine“ sicherlich nicht zu. Überraschend ernste Töne schlägt der luftig-beschwingt beginnende, von einer turbulenten Biografie erzählende Film phasenweise jedoch an.
Charles (Dany Boon) arbeitet als selbstständiger Taxifahrer in Paris und reibt sich jeden Tag auf, um irgendwie über die Runden zu kommen. Das Verhältnis zu seiner Frau, das wird schon in den ersten Minuten klar, war früher einmal besser. Die ständige Belastung fordert halt ihren Tribut. Zu allem Überfluss droht dem mürrischen Chaffeur beim nächsten Verkehrsvergehen auch noch der Entzug seines Führerscheins.
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Als er in einen Vorort der Seine-Metropole gerufen wird, begegnet er der 92-jährigen Madeleine (Line Renaud), die, so berichtet sie ihm freimütig, ihr Haus aufgeben und in ein Pflegeheim am anderen Ende der Stadt ziehen muss. Charles hat eigentlich keine Lust auf ein Gespräch mit der forschen alten Dame. Doch Madeleine lässt nicht locker und weiht ihn auf ihren Umwegen durch das Gewirr von Paris in ihre aufregende Lebensgeschichte ein.
Wohin die Reise unsere beiden Protagonisten am Ende führen wird, ist recht früh zu erraten. Und insgesamt wirkt die Konstellation – eine stundenlange Fahrt mit zahlreichen Abstechern – vielleicht etwas konstruiert. Langweilig oder abgeschmackt wird es deshalb aber nicht. Selbst das emotionale Finale, das leicht in billige Sentimentalität hätte kippen können, fühlt sich trotz seiner Vorhersehbarkeit halbwegs aufrichtig an.
Starkes Schauspielgespann
Dass „Im Taxi mit Madeleine“ nicht zu einer dieser belang- und harmlosen Dramödien wird, die das Kino regelmäßig fluten, liegt zum einem an den unverhofft beklemmenden Schilderungen der Titelfigur. Was sie als junge Mutter (gespielt von Alice Isaaz) in den 1950er Jahren in einer toxischen Beziehung erfahren musste, wühlt Charles auf und bringt den zunächst so abweisenden Taxilenker zum Reden.
Missbrauch und häusliche Gewalt werden in den ausführlichen Rückblenden eindringlich beschrieben. Meistens sind die Flashbacks dunkler gehalten als die Bilder aus der Gegenwart. Manchmal greift Regisseur Christian Carion („My Son“) allerdings auch zu bewusst gegensätzlichen Gestaltungsmitteln. Beispielsweise, als wir und Madeleines Mutter Denise (Gwendoline Hamon) zum ersten Mal den baldigen Partner der jungen Frau sehen. Wie ein strahlender Ritter, ein Traumprinz wird der stattliche Ray (Jérémie Laheurte) in Zeitlupe inszeniert, entpuppt sich später aber als kontrollsüchtiger, übergriffiger Tyrann.
Nicht sehr tiefschürfend, dennoch recht anschaulich führt uns Carion vor Augen, was es in den 1950er Jahren heißt, eine Frau zu sein, die sich gegen ihren brutalen Gatten auflehnt. Selbstbestimmung und offene Rebellion sind damals ungern gesehen. Was man indes nicht leugnen kann: Manche der Fragen, die sich Madeleine hier von Männern gefallen lassen muss, werden selbst heute immer wieder gestellt, wenn es um Gewalt in Beziehungen geht. Ein Lob verdienen sich der Regisseur und sein Mitdrehbuchautor Cyril Gely („Monsieur Chocolat“), weil sie Madeleines Verhalten nicht bedingungslos heroisieren. Durch ihren Sohn (Thomas Alden), der ihr im Erwachsenenalter vorhält, dass ihr Handeln sein Leben negativ beeinflusst habe, setzen sie einen kleinen, nachdenklichen Akzent.
Ein Gegengewicht zum abgründigen, schweren Stoff der Vergangenheit bildet die schnell wachsende Vertrautheit zwischen Charles und seiner hochbetagten Kundin, die trotz ihrer schmerzhaften Erfahrungen nicht verbittert auftritt. Dany Boon, der dieses Mal nicht den linkischen Clown verkörpern muss, und Line Renaud geben ein sympathisches odd couple ab und verleihen dem Geschehen eine Wärme, der man sich nur schwer entziehen kann. Ihr einnehmendes Zusammenspiel allein macht die Odyssee durch Paris und ein nicht gerade gewöhnliches Leben sehenswert!
Fazit
Zwei tolle Hauptdarsteller und ein paar überraschend abgründige Töne heben „Im Taxi mit Madeleine“ über das tragikomische Mittelmaß hinaus.
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